Achtsamkeit im Herbst
Der Kopf ist voll, das Hamsterrad dreht sich und ich fühle mich erschöpft, die Energie sinkt gegen Null. Warnsignale des Körpers.
Also erstmal tief durchatmen und sich wieder selbst spüren. Einen Schritt rückwärts nehmen und damit kurz aus dem pausenlos dahinfliegenden Leben zurücktreten. Einfach von neutraler Position aus beobachten, was da gerade in mir vorgeht. Das tut schon mal gut.
Und jetzt raus an die frische Luft. Eine warme Jacke, mein Lieblingsschal, bequeme Schuhe und schon kann der Waldspaziergang losgehen.
Im Wald gehe ich auf einmal und ganz von allein langsamer und atme ruhiger. Alle Sinne strömen befreit nach außen.
Die Herbstsonne taucht die Bäume, Büsche und Berge um mich herum in freundliche, bunte Farben. Das Laub raschelt unter meinen Füßen beim Gehen. Die Luft ist unglaublich frisch. In der Nacht zuvor fiel ein reinigender Regen. Es duftet würzig nach Eicheln, Kiefernzapfen, Fichtennadeln und Laub.
Der Wald hat einen üppigen Tisch für die Tiere des Waldes gedeckt – Sanddorn-, Hagebutten- und Vogelbeeren leuchten in kräftigen Orange- und Rottönen.
Ich entdecke einen Igel auf Nahrungssuche, der sich für den Winterschlaf genügend Speck anfressen will. Ein Eichhörnchen hat eine Nuss gefunden und vergräbt sie als Vorrat für den Winter.
Der Eichelhäher macht seinem Namen alle Ehre, indem er eine der Eicheln aufpickt und sie begeistert ganz hinunterschluckt. Was es hier alles zu entdecken gibt!
Und schließlich, unter einer Baumwurzel und farblich vom Waldboden kaum zu unterscheiden, eine putzige rostrote Waldmaus. Sie hat eine Buchecker gefunden und verputzt genüsslich deren Samen.
Ich schau mich aufmerksam um, bin ganz gelöst und entspannt. Alles Verbrauchte fließt aus mir heraus. Frische Energie pulsiert durch den Körper. Der Atem geht ruhig und gleichmäßig. Ich fühle mich ganz leicht. Die Bewegung an der frischen Luft tut so gut.
Unter einem Baum stehen Pilze. Ich erfreue mich daran. Wie schön der rote Fliegenpilz mit seinen weißen Punkten sich vom Waldboden abhebt!
Blumen, es sind Herbstzeitlose, leuchten und blühen in kräftigen Farben links und rechts vom Wegrand. Ein gleichmäßiges schwirrendes Singen lässt meinen Blick nach oben wandern. Kraniche bilden eine langgezogene Pfeilspitze am Himmel und fliegen in Richtung Süden.
Es tut sowieso immer gut, zwischendurch ab und zu einmal nach oben in die Weite zu blicken…
Am Waldsee angekommen, entdecke ich einen reglosen Graureiher, der konzentriert nach Fischen Ausschau hält. Die Entenfamilien tragen bereits wieder ihr schlichtes Winterkleid und ziehen gemächlich ihre Runden auf dem mit bunten Blättern geschmückten See. Langsam ziehen Nebelschwaden auf. Die Luft ist kühl und feucht. Ich ziehe meinen Schal fester und beschleunige meinen Gang. Ich freue mich jetzt auf prasselndes Holz im Kamin, auf romantischen Kerzenschein und aromatischen heißen Tee zu Hause. Mir ist ganz warm. Ich fühle mich wohl und spüre, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet. Und nicht nur das. Eine Welle der Dankbarkeit und der Verbundenheit mit allen Wesen breitet sich in mir aus. Ich fühle mich wieder geerdet.
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